1
Ein Stumpf, wo einst ein Baum sich reckte,
seine Zweige lichtwärts streckte,
den Vögeln Heim und Zuflucht bot,
er steht nicht mehr, jetzt ist er tot.
2
Es hieß, dass er befallen sei,
vom Pilz zerfressen, und dabei
schien’s ihm noch gestern gut zu gehen.
Ich sah ihn hier im Sturme stehen,
3
wie er sich wiegte, wie er lachte,
sich bog, dass seine Rinde krachte,
mit den Ästen um sich schlug
und doch des Windes Macht ertrug.
4
Heut kamen sie, zu früher Stunde,
rauchten sich noch eine Runde.
Nun fix gefällt, Tatsachen schaffen,
bevor sie lamentier’n und gaffen,
5
sich erregen und ereifern,
irgendwas von Baumschutz geifern.
Liegt der Stamm erst einmal quer,
hat er keine Lobby mehr.
6
Als man die Säge an ihn setzte,
die kreischend ihm das Mark zerfetzte,
war’s rasend schnell um ihn geschehn.
Nur den Stumpf ließen sie stehn.
Angesichts der Tatsache, dass man in einem kleinen, mir nahen Mittelzentrum gerade beabsichtigt, ein knappes Dutzend Kaiserlinden, die vor ein paar Wochen noch im Gutachten als „gesund“ bis „schwach geschädigt“ eingeordnet wurden, in der Fußgängerzone zu fällen, würde ich diesen Text ja gerne hundertfach ausdrucken und damit die Innenstadt zupflastern. 🙂
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Das würde ich dir erlauben!
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So traurig. Fällen, Abreißen, Zerstören geht immer so schnell. Doch was für ein langwieriger und kräftezehrender Prozess im Wachsen, Aufbauen, Erschaffen steckt, wissen anscheinend nicht viele.
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Ja, man erlebt es immer wieder. Daher musste ich dieses Gedicht schreiben.
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