Bekanntlich gibt es auch heute noch sehr schöne Urlaubsziele. Sie bleiben so lange sehr schön, bis sie überrannt, zugebaut, verkitscht oder sonstwie zerstört werden. Damit diese unerfreulichen Eingriffe des Menschen der in den letzten 10 Tage von mir aufgesuchten Region nicht widerfahren, werde ich nun alles aufzählen, das mir einfällt, was andere Menschen davon abhalten könnte, diese erschreckend zauberhafte Landschaft ebenfalls kennen lernen zu wollen. Es handelt sich um die Alpen, dieses abweisende und gefährliche Massiv zwischen Bodensee und Gardasee, genauer gesagt, den E5, ein erschütternd schöner Wanderweg, welcher dieses drohende Gebirge aus Fels und Stein durchwindet und überschreitet. Wir begingen ihn von Kempten bis Meran, kreuzten 2 Landesgrenzen und sammelten reichlich Höhenmeter. Wir folgten finsteren Schluchten und rasenden Bächlein, überschritten herzzerreißend schöne Almen voller Blumen von aufdringlicher Schönheit und wurden vom Gletschereis geblendet. Tödliche UV-Strahlung durchbohrte unseren 50+-Schutz, nur an einem Tag gelang es eisigem Nieselregen nicht, unsere Kleidung zu durchdringen. Eine fremdartige Tierwelt bedrohte uns während des gesamten anstrengenden und kräftezehrenden Marsches. Eine Kreuzotter versuchte, durch eilige Flucht Harmlosigkeit vorzutäuschen, Murmeltiere bemühten sich, uns durch lautes Pfeifen vom Weg abzubringen, ein Steinbock stand, einem bösen Omen gleich, auf einem Felsen auf der anderen Seite der tiefen Schlucht, und ein hoch über uns dräuender Steinadler beäugte uns misstrauisch und schien jeden Moment auf uns nieder stoßen zu wollen. Aufdringlich-freundliche Hüttenwirte empfingen uns mit Speisen und Getränken, deren Menge und Qualität die Gaben der Circe an Odysseus, mit denen sie ihn zum Verbleiben auf ihrer Insel verführte, in den Schatten stellten. Schnell wurden wir vom Virus der Entspannung und der Freude befallen, doch unsere unerbittliche Reiseleiterin kannte keine Gnade, sie hetzte uns sachten Schrittes von einem erschaudernd schönen Berg auf den nächsten, willig unterstützt von ihrem Assistenten, welcher vorgab, als ‚letzter Mann‘ der Kolonne dafür zu sorgen, dass niemand verloren ginge. Niemandem gelang es, sich heimlich in die Büsche zu schlagen, und so gelangten wir alle wider Erwarten nach Meran, wo unsere Reise ein glückliches Ende fand.
Und jetzt mal ernsthaft und in einem Satz: es war ein wundervoller Urlaub!
Herzliche Grüße an euch alle!
Martin