Trends kommen und gehen, und es gibt wohl nur wenig peinlicheres, als einem Trend zu lange anzuhängen oder gar, sich ihm zu spät anzuschließen. Wer heute noch ein Arschgeweih zeigt oder es sich gar neu stechen lässt, sollte in sich gehen, ganz tief, und auch das Zurschaustellen von Ohrlöchern, in den Nymphensittiche turnen könnten, hat was vom Tragen einer Lederhose, und zwar vom Typ 60er-Jahre. Ja – damals trug ich sie gerne, sie waren unverwüstlich und wurden nicht dreckig, höchstens speckig, aber ihre Zeit ist nun mal um.
Der Sommer steht an, und ein neuer Trend muss her, einer, der so richtig fetzt, einer, den es wirklich noch nicht gab, kein Abklatsch von Vergangenem! Biopiercing ist das Stichwort und schwer im Kommen, noch sind es wenige, die Avantgarde, die sich dieser ungewöhnlichen und heiklen Leidenschaft hingeben, der Verschönerung des eigenen Leibes mit Schmuck-Zecken. Nein, es geht hier nicht um die Wald- und Wiesenzecke, um den Gemeinen Holzbock, wie sie auch genannt wird, sondern um die unübersehbare Vielzahl subtropischer und tropischer Zecken, oft sehr bunt und von z. T. beachtlicher bis hin zu erschreckender Größe. Nichts für Weicheier – die tragen Tattoos – sondern für wirklich harte Frauen und Männer.
Der Handel mit den zarten Tierchen läuft gerade an, die Preise sind horrende, geliefert werden sie in kleinen Glasphiolen. Diese werden entkorkt und sofort mit der Öffnung auf die auserwählte Körperstelle gedrückt, bis der hungrige Achtbeiner diese in Ermangelung von Bewegungsfreiheit akzeptiert hat und seinen Stechrüssel ansetzt, um mit dem mehrtägigen Mahl zu beginnen. Nach ausreichender Sättigung und Anschwellen auf ein Vielfaches der ursprünglichen Körpergröße – der Maximaldurchmesser beträgt bei einigen Arten 3 cm – kommen die leuchtenden Farben, die Muster und Streifen, die Behaarung und die wurmfortsatz-ähnlichen Anhängsel wunderbar zur Geltung.
Die beliebteste Art ist zur Zeit der Afrikanische Büffelbock, schwarz, haarig, gewaltig, er wird gerne im Nacken und am Hals getragen, gut sichtbar, auch im Umfeld der Brustwarzen fühlt er sich wohl. Die Zebrazecke trägt ihren Namen aufgrund ihrer Zeichnung, nicht etwa, weil sie auf dem gleichnamigen Huftier zu hause wäre. Da Streifen bekanntlich schlank machen, wird sie gerne von adipösen Menschen getragen. Der Australische Beutelbock besiedelt ursprünglich die Innenseite der Beutel weiblicher Kängurus, lässt sich aber auch problemlos in Bereichen des menschlichen Körpers ansiedeln, an denen es dauerhaft feucht und warm ist, wie z. B. unter den Achseln.
Das Tragen von Schmuck-Zecken bietet also eine große Vielfalt in Form und Farbe, die herkömmlichem Körperschmuck in nichts nachsteht, zumal einige Arten wie die Schamzecke, der Kamasutrazwicker und die Gepanzerte Nashornzecke erst am Beginn ihres mutmaßlich kometenhaften Popularitätsanstieges stehen. Der Begriff ’sich stechen lassen‘ wird in Zukunft ganz sicher einen Bedeutungswandel erfahren!