Ich stand im Wohnzimmer am Fenster zum Garten und schaute hinaus. Die Elster sah mich nicht, ganz offensichtlich war ihre Aufmerksamkeit von der großen hölzernen Kiste gefangen, die mitten auf dem Rasen stand und bis gestern bereitwillig Erdnüsse gespendet hatte, wenn man mit dem Schnabel auf den roten Knopf an ihrer Oberseite gedrückt hatte. Der Vogel hatte in 3 Tagen den Bogen rausgehabt und ernährte sich seitdem sehr fettreich und einseitig. Dass ihm diese Möglichkeit nun verschlossen schien, behagte ihm offensichtlich nicht, aufgeregt hüpfte er vor der Spenderklappe mit dem Glöckchen herum, versuchte, durch den schmalen Schlitz zu äugen und sprang wieder auf die Kiste, wo immer noch das runde Loch gähnte, wo zuvor der rote Knopf geleuchtet hatte.
Die 5 Kronkorken, die ich wie zufällig auf der Kiste platziert hatte, schienen die Elster nicht zu interessieren. Auch wusste sie nichts von dem Metalldetektor, der sich wenige Zentimeter unter dem Loch befand und das Öffnen der Futterklappe auslösen würde, wenn einer der Kronkorken hineinfiele.
Immerhin nahm sie zwischenzeitlich einen der Verschlüsse in den Schnabel, befand ihn für ungenießbar und ließ ihn fallen. Er fiel von der Kiste, ebenso ein zweiter und dritter, die sie mit ihrer Hüpferei vom Deckel stieß. Ich befürchtete, sie sei kurz davor, aufzugeben, als sich eine zweite Elster zu ihr gesellte und ihr Treiben vom Apfelbaum aus beobachtete. Augenblicklich änderte Elster Nr I ihr Verhalten. Die Erdnüsse schien es nie gegeben zu haben, die glänzenden Kronkorken nahmen ihr ganzes Interesse ein. Sie drehte sie um, legte sie wieder ab, lies sie fallen und rollen. Während ich noch überlegte, ob der Vogel tatsächlich, wie es Elstern nachgesagt wird, von den glänzenden Gegenständen angezogen wurde, oder ob er vielleicht versuchte, sein Geheimnis, die Existenz der Erdnüsse, zu wahren, passierte es.
Einer der Kronkorken fiel ihr aus dem Schnabel, rollte auf das Loch zu und fiel hinein. Eingelocht, würde der Golfer sagen. Der Metalldetektor registrierte augenblicklich den fallenden Verschluß, die Futterklappe öffnete sich und stieß dabei das Glöckchen an.
Der Vogel stürzte sich augenblicklich mit einem spitzen Schrei auf die Erdnüsse, was natürlich der anderen Elster nicht verborgen blieb. Sie schwang sich laut krächzend vom Ast zur Kiste , wo sie mit drohendem Schnabel und schlagenden Flügeln empfangen wurde. Während sich die beiden Vögel noch balgten, schloß sich, wie vorgesehen, die Futterklappe wieder.
Augenblicklich verstummte der Streit. Irritiert nahm Elster Nr I wieder die Suche nach dem roten Knopf auf, während ihre Artgenossin still stehen blieb. Sie legte den Kopf schräg. Ich wußte, Tiere sollten nicht vermenschlicht werden, schon gar nicht von Verhaltensforschern, aber ganz ehrlich: es sah aus, als würde der Vogel nachdenken.
Und dann, in aller Ruhe, nahm er einen auf dem Boden liegenden Kronkorken mit dem Schnabel auf, flatterte auf die Kiste und warf ihn in das Loch. Die geöffnete Klappe war in wenigen Sekunden leergefressen, diesmal von beiden Vögeln gemeinsam. Nachdem sie die 4 weiteren Verschlüsse ebenfalls ins Loch befördert hatten, trollten sie sich gemeinsam, satt und wahrscheinlich zufrieden.
Der folgende Morgen begann mit einem Mißgeschick. Ich hatte verschlafen und dadurch versäumt, rechtzeitig Kronkorken als Zahlungsmittel bereit zu legen. Die Elstern waren vor mir im Garten. ‚Mist’, dachte ich, ein verlorener Tag. Noch während ich missmutig in den Garten starrte, flog einer der Vögel davon, um Momente später mit einem Gegenstand im Schnabel zurück zu kommen. Es war ein Kronkorken, vermutlich vom benachbarten Spielplatz. Nun setzte reger Flugverkehr ein, im Minutentakt öffnete der Detektor die Klappe, und das Läuten der Glocke erklang.
Am Nachmittag gesellte sich eine dritte Elster dazu, nach einer Woche waren es bereits 12. Zweimal täglich musste ich mittlerweile das Erdnussdepot auffüllen und die Kronkorken entnehmen. Gelegentlich fand ich, vor allem zu Beginn, auch Zigarettenkippen, Glasscherben und Plastikteile im Auffangbehälter, aber das ließ nach, die Vögel lernten, dass nur Metall zur Belohnung führte.
Am achten Tag fand ich das erste Geldstück, 50 Cent, am folgenden Tag weitere Münzen. Am Abend verbrachte ich 1 Stunde in meiner Werkstatt, anschließend befand sich ein Einwurfschlitz dort, wo zuvor das runde Loch war.
Die Elstern begriffen schnell, daß Kronkorken nun keine gültige Währung mehr waren. Als alle verlorenen Münzen im näheren Umkreis gefunden und gesammelt waren, erweiterten sie ihren Suchradius. Ich hingegen stellte eine zweite und eine dritte Kiste in einiger Entfernung auf. Die Vögel lernten zügig, die Erkenntnis über diese neue Form des Nahrungserwerbs verbreitete sich schneller, als ich weitere Kisten aufstellen konnte. Erdnüsse kaufte ich mittlerweile säckeweise und lagerte sie in der Garage. Jeden Abend fuhr ich meine immer größer werdende Runde, um das gesammelte Kleingeld einzusammeln. Die Sache begann, Gewinn abzuwerfen. Ich plante schon, größere Boxen zu bauen, das Einzugsgebiet zu vervielfachen und Mitarbeiter zu engagieren. Kurzum, ich wollte expandieren.
Dann passierte es. Eine Elster fand heraus, daß ein silberner Löffel auch zum Erfolg führte. Die Klappe öffnete sich, bevor sie den Löffel losließ. Sie flatterte mit dem Besteck im Schnabel von der Kiste und verschlang die Erdnüsse. Daraufhin flog sie noch dreimal mit dem Löffel auf die Kiste und wiederholte den Betrug. Eine kleinere Schar Artgenossen beobachtete sie dabei.
Erst am folgenden Tag begriff ich das Ausmaß der Katastrophe. Eine Elster stocherte mit einem Draht in dem Einwurfschlitz, eine weitere mit einem Alustreifen, den sie offensichtlich von einem Joghurtbecherdeckel abgerissen hatte. Alles, was lang und schmal und metallisch war, kam zum Einsatz. In wenigen Tagen brach mein Umsatz zusammen, während sich in meiner Garage die Säcke mit Erdnüssen türmten, die ich gerade bestellt hatte.