4:30, ich sitze im ‚gemütlichen Teil‘ der Kardiologischen Station. Einige Tische mit riesigen schwarzbekunstlederten massiven Stühlen und zu tief hängenden Lampen, an denen ich mir regelmäßig den Kopf stoße, werden umrahmt von einem Carree aus voluminösen Blumenkübeln. In diesen gedeihen die üblichen Verdächtigen, die Unkaputtbaren, wie Yucca oder Ficus. Und obwohl dauerstationär, sehen sie erfreulich gesund aus. Wahrscheinlich kümmert sich jemand regelmäßig, denke ich, um gleich darauf einem Anflug von Boshaftigkeit zu erliegen. Vielleicht auch nicht, denke ich, vielleicht werden sie vernachlässigt und gedeihen deshalb so prächtig. Vielleicht lässt mancher Patient heimlich seine Tropfen und Tabletten in dem Pflanzgranulat verschwinden und tut den Gewächsen ungewollt Gutes.
Es ist still um diese Zeit, lediglich einige Überwachungsgeräte, unsichtbar verbunden mit Schwerkranken, verkünden rhythmisch die frohe Kunde…“lebt…lebt…lebt…“. Die wenigen MitarbeiterInnen nehmen es gelassen, wahrscheinlich hören sie das Piepen schon gar nicht mehr.
Ich beuge mich vor und betrachte das Pflanzgranulat in den Kübeln aus der Nähe. Mehr oder weniger rund, keramisch, porös, wie man an Bruchstellen gut erkennen kann. Blähton, denke ich, was sonst.
Ich verharre, noch sinnend, in der vorgebeugten Haltung. Es rumort etwas in mir. Nichts ungewöhnliches, vor allem, wenn ich viele Äpfel esse. So wie gestern zum Beispiel. Zum Glück gehöre ich nicht zu denen, die einen Pupser gleich als Symptom einer schweren Unverträglichkeit einordnen, im Gegenteil. Wenns Arscherl kracht, des Herzerl lacht, so ist das!
Natürlich habe ich, der ich ein Mann von Anstand und Kultur bin, gelernt, dass es sich geziemt, einen Pupser dezent auf die Reise zu schicken. Aber jetzt? In dieser Situation, morgens um mittlerweile 5:26? No one’s around, let him go, gute Reise! Ich ruckel leicht mit dem Gesäß, übe leisen Druck aus, und schon ertönt sein Abschiedsgruß, nicht schallend, aber deutlich vernehmbar, während ich, noch immer vorgebeugt, mit den Blähtonkügelchen spiele.
Blähtonkügelchen…Blähton…langsam dämmert mir die Doppeldeutigkeit dieses Wortes. Das Geräusch, der Blähton…der Ton der Blähung…würde ich je wieder gut gepflegte Pflanzen in Kübeln betrachten können, ohne zu schmunzeln?
Moin Martin, und Danke für das Grinsen in meinem Gesicht 🙂
Krankenhäuser … habe selbst viel mitbekommen, in den letzten drei Jahren der Begleitung meines Vaters. Auch aus Gott sei Dank überschaubarer eigener Erfahrung. Mal ist es unvermeidlich, ja.
Gute Wünsche und weiter gute Besserung dir, liebe Grüße, Reiner 👋
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Danke, Reiner🙂
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😂😂😂
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Du scheinst nicht mehr im „Einzelzimmer“ zu sein – gratuliere. 🙂
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Danke! Ja, ich darf mich wieder frei bewegen und erlange langsam auch wieder die Kraft dazu.
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Sehr schön und zugleich beruhigend. Dann werde mal schnell wieder fit, damit du in den eigenen 4 Wänden weiterblähen kannst. 😉 LG Bea
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Noch besser: außerhalb der eigenen 4 Wände 😂
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….oder so! 😆🤣😅
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Das Krankenhaus gibt mehr her, an Geschichten, wie man vermuten würde. 😂
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Das stimmt, Nati 😀
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